Projektthema
Macht, Wissen und Weiblichkeit: Diese Dimensionen der preußisch-schwedischen Kulturbeziehungen und Wissensproduktion sind bis heute praktisch unerforscht. Dabei haben Frauen sowohl in Schweden als auch in Brandenburg-Preußen während des 18. Jahrhunderts bedeutende Positionen als Königinnen, Reichsäbtissinnen und Ehegattinnen einflussreicher Vertreter des hohen Adels erreicht. Durch diese Stellung waren sie in der Lage, als Mäzeninnen für unterschiedliche kulturelle Aktivitäten am Stockholmer, Berliner und Quedlinburger Hof und als zentrale Akteurinnen des Kulturtransfers sowie der Wissensproduktion zwischen Preußen und Schweden zu wirken.
Die Prinzessinnenbibliothek ist ein zentraler Bestandteil dieses Transfers. Sie bezeichnet die einzigartige, in nahezu vollständiger Geschlossenheit erhaltene Sammlung der schwedisch-preußischen Prinzessin Sofia Albertina (1753–1829), ihrer Mutter Königin Luise Ulrike von Schweden sowie ihrer Großmutter Königin Sophie Dorothea. Die Sammlung umfasst über 1.500 Titel in etwa 4.500 Bänden (vor allem Belletristik, Dramen, aber auch Bibeln, Gebetbücher, Geschichtswerke und Reisebeschreibungen). Hinzu kommen etliche Handschriften, Journale sowie Bild- und Kartenmaterial. Die Sammlung befindet sich seit 2016 im Besitz der Staatsbibliothek zu Berlin.
Prinzessin Sofia Albertinas Privatbibliothek verdeutlicht, wie Frauen Kultur und Wissenschaft förderten. Gleichzeitig nutzten sie sie aber auch als Machtinstrument und Repräsentationsobjekt ihrer Stellung am Hof und im Rahmen der preußischen bzw. schwedischen Adelswelt.
Projektvorhaben
Das interdisziplinäre und internationale Projekt arbeitet daran, die Prinzessinnenbibliothek in ihrer historischen Gestalt zu rekonstruieren und zu analysieren.
Innerhalb des Projektes liegt das Augenmerk auf der Entwicklung einer virtuellen Sammlung, in der nicht nur auf die gesamten Titel der Prinzessinnenbibliothek zugegriffen werden kann, sondern auch auf interdisziplinäre Forschungsergebnisse. Ziel ist es, ein Werkzeug für die Erforschung von Wissensproduktion, Kulturtransfer und weiblicher Herrschaft zur Verfügung zu stellen.
Bisher sind im Projekt verschiedene Forschungsarbeiten entstanden. U. a. wurde in der Prinzessinnenbibliothek eines der ältesten schwedischsprachigen Dramen einer Autorin entdeckt und publiziert (auch in deutscher Übersetzung). Das Drama wurde darüber hinaus historisch eingebettet und literaturwissenschaftlich analysiert, die Rolle der Besitzerinnen der Bibliothek als Mäzeninnen untersucht und der Aufbau der Bibliothek sowie die Benutzung der Bücher thematisiert.
Einen Vorgeschmack auf dieses virtuelle Bücherregal gibt zudem die Einbindung der Prinzessinnenbibliothek als Sammlung in die Literatursuche auf vifanord, wo sie seit Ende 2023 als eigener Sucheinstieg nachgewiesen wird.
Projektbeteiligte
- Dr. Tim Berndtsson (Universität Uppsala), arbeitet u.a. zur Bibliotheksgeschichte und zur Funktion von Bibliotheken zur Zeit des schwedischen Königs Gustav III.
- Prof. Dr. Otto Fischer (Universität Uppsala), forscht zur Literatur der Empfindsamkeit, Brief- und Lesekulturen im Austausch zwischen Deutschland und Schweden im 18. und 19. Jahrhundert.
- Dr. Sabine Meyer (Universität Greifswald), forscht zur Editionsgeschichte und Digital Humanities, hat bereits am „Lili Elbe Digital Archive“ federführend mitgearbeitet.
- Prof. Dr. Ann Öhrberg (Universität Uppsala), arbeitet zu weiblicher Autorschaft und Buchkultur im 18. Jahrhundert.
- Prof. Dr. Clemens Räthel (Universität Greifswald), arbeitet zur skandinavischen Theater- und Buchgeschichte, mit einem Schwerpunkt im 18. und 19. Jahrhundert und zu Lesekulturen im Norden.
- Prof. Dr. Ralph Tuchtenhagen (Humboldt-Universität zu Berlin), forscht zu deutsch-schwedischer Geschichte im 17. und 18. Jahrhundert.
- Dr. Silke Trojahn (Staatsbibliothek zu Berlin), erschließt und erforscht die Prinzessinnenbibliothek.
In Zusammenarbeit mit der Staatsbibliothek zu Berlin, dem Interdisziplinären Forschungszentrum Ostseeraum (IFZO) der Universität Greifswald, dem Fachinformationsdienst Nordeuropa an der Universitätsbibliothek Kiel und Partnern in Schweden: Riksarkiv, Uppsala Universitätsbibliothek.
Vorarbeiten
Trohjan, Silke u. Andreas Wittenberg: Die Prinzessinnenbibliothek. Berlin 2019.
Räthel, Clemens (Hg.): Den Ädelmodiga Abbedissan eller De åter förenade Emigranterne. Af Emelie Pettersson / Die edelmütige Äbtissin oder Die wieder vereinten Emigranten. Von Emelie Pettersson. Berlin 2021 (= Berliner Beiträge zur Skandinavistik 28). https://doi.org/10.38071/2024-00225-8
- Trojahn, Silke und Andreas Wittenberg: „Die Prinzessinnenbibliothek: Erwerb, Aufbau und Provenienz“. S. 103–107.
- Tuchtenhagen, Ralph: „Sofia Albertina, das Stift Quedlinburg und die schwedisch-preußischen Beziehungen“, S. 111–144.
- Meyer, Sabine: „Symbol und Relikt des Wandels: Sofia Albertina von Schweden“, S. 179–189.
- Öhrberg, Ann: „Der Freundschaft verpflichtet: Sofia Albertina als Prinzessin und Freundin“, S. 201–210.
- Räthel, Clemens: „Dramatische Vergnügsamkeit. Die edelmütige Äbtissin als literarisch-politischer Kommentar.“ S. 221–233.
Federhofer, Marie-Theres u. Sabine Meyer (Hg.): Mit dem Buch in der Hand. Beiträge zur deutsch-skandinavischen Buch- und Bibliotheksgeschichte / A Book in Hand. German-Scandinavian Book and Library History. Berlin 2021 (= Berliner Beiträge zur Skandinavistik 31). https://doi.org/10.38071/2024-00604-3
- Tuchtenhagen, Ralph: „Christina von Schweden als Büchersammlerin“, S. 23–59.
- Meyer, Sabine u. Clemens Räthel: „Von Aachener Badefreuden, unterirdischen Reisen und persönlichkeitsgespaltenen Müttern. Spurensuche mit der Bibliothek der preußischen Königin Sophie Dorothea“, S. 119–150.
- Öhrberg, Ann: „Queen Louisa Ulrika as Promoter of Swedish Historiography“, S. 151–172.
- Berndtsson, Tim: „Between Representation and Recreation: The Role of Royal Libraries in Gustavian-Era Sweden“, S. 173–216.