1864 und die Folgen, Teil 6 | Schwedens Rückzieher oder: Keine „skandinavische Solidarität“ mit Dänemark

von NordicHistoryBlog

Ein Gastbeitrag von Maik Ohnezeit.  Mit der Unterzeichnung der neuen Gesamtstaatsverfassung am 18. November 1863 durch den kurz zuvor auf den Thron gelangten König Christian IX. verabschiedete sich die dänische Regierung endgültig vom überkommenen dänischen Gesamtstaat und manövrierte sich damit in eine nahezu ausweglose außenpolitische Lage. Der Deutsche Bund nahm sein bis dahin ruhendes Bundesexekutionsverfahren gegen Dänemark wieder auf, um die faktische Einverleibung des Herzogtums Schleswig durch die Dänen zu verhindern. Preußen, Österreich sowie der Deutsche Bund setzten ihre militärischen Vorbereitungen weiter fort, auch Dänemark rüstete sich für eine militärische Auseinandersetzung.

Die dänische Regierung hoffte in diesem Konflikt auf die Unterstützung auswärtiger Mächte. So schien es, als würde Schweden im Falle eines Krieges in skandinavischer Solidarität an der Seite Dänemarks kämpfen, denn der schwedisch-norwegische König Karl XV.hatte bereits im Sommer 1863 zugesagt, 22.000 Soldaten zu entsenden. Damit folgte Karl XV. dem Beispiel seines Vaters Oskar I., der bereits 1857 dem dänischen König Friedrich VII. versprochen hatte, 16.000 Soldaten zur Verteidigung der Eidergrenze zur Verfügung zu stellen. Aber die dänische Regierung war seinerzeit auf das Angebot nicht eingegangen.

Der „Skandinavismus“ war eine überwiegend von Vertretern des gebildeten Bürgertums in diesen Staaten getragene politische Bewegung, deren Hauptziel eine enge Union zwischen Dänemark und Schweden-Norwegen war. So sollte ein machtpolitisches Gegengewicht zum Deutschen Bund gebildet werden. Aus preußischer Sicht waren die „Skandinaven“ indes mehr in der Presse als in Wirklichkeit vorhanden, galten dem Berliner Kabinett mithin nicht als ernstzunehmender politischer Faktor.

Die schwedische Regierung, neben dem König insbesondere Außenminister Graf Ludwig Manderström und der schwedische Gesandte in Kopenhagen, Graf Henning Hamilton, hatte die dänischen Bemühungen zur Abtrennung der Herzogtümer Holstein und Lauenburg vom dänischen Gesamtstaat in der Vergangenheit mit Verständnis begleitet, die Regierung in Kopenhagen sogar dazu ermuntert. Hinter der Haltung der schwedischen Regierung steckten Überlegungen, ein von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Deutschen Bund befreites Dänemark enger an Schweden-Norwegen zu binden. Die dänische Regierung war bereits im Januar 1863 mit dem Vorschlag zur Errichtung einer Realunion der skandinavischen Monarchien an die Regierung in Stockholm herangetreten. Sie hoffte, mit Schweden-Norwegen einen starken Verbündeten für eine bevorstehende kriegerische Auseinandersetzung mit dem Deutschen Bund zu gewinnen. Doch die schwedische Regierung reagierte zurückhaltend, auch wenn sie sich zunächst solidarisch mit der dänischen Regierung erklärte. So zog sie die Bündnisverhandlungen mit dem Kabinett in Kopenhagen bewusst in die Länge. Als sich die Lage jedoch zuspitzte und ein Krieg gegen den Deutschen Bund drohte, durchkreuzte sie die Pläne Karls XV. und skandinavistischer Kreise zur Unterstützung Dänemarks, weil die dänisch-schwedischen Bündnisverhandlungen jetzt auf starken Widerstand innerhalb des Stockholmer Kabinetts stießen. Dieses war nur dann bereit, ein Bündnis mit Dänemark einzugehen, wenn sich wenigstens eine neutrale Macht dem Bündnis anschließen würde, was sich jedoch als Illusion erwies. Die Zusagen Karls XV. und Manderströms entpuppten sich schließlich als wertlos. Gegenüber der preußischen Regierung ruderte der schwedische Außenminister zurück. So verneinte dieser die Frage des preußischen Gesandten in Stockholm, Freiherr Adalbert von Rosenberg, ob Schweden eine Allianz mit Dänemark abgeschlossen habe. Manderström versicherte der preußischen Regierung sogar, der dänischen Regierung empfohlen zu haben, sich der Bundesexekution nicht zu widersetzen. Er bedauerte die mit Preußen und dem Deutschen Bund entstandenen Differenzen. Schweden machte also einen Rückzieher – und Dänemark, das bis zuletzt auf eine Allianz mit Schweden-Norwegen gesetzt hatte, stand im aufziehenden militärischen Konflikt schließlich ohne den Beistand seines nördlichen Nachbarn da.

Literaturtipp: Jan Ganschow/Olaf Haselhorst/Maik Ohnezeit: Der Deutsch-Dänische Krieg 1864. Vorgeschichte – Verlauf – Folgen. Graz 2013.


Der Historiker und Museumspädagoge Dr. Maik Ohnezeit ist Leiter der Archiv- und Museumspädagogik und Referent für historisch-politische Bildung der Otto-von-Bismarck-Stiftung in Friedrichsruh.