- 14.07.2015
- Kategorie Literaturwissenschaft Geschichte / Archäologie Kulturgeschichte
Sklaven- und Dreieckshandel in skandinavischer Literatur, Kunst und Erinnerungskultur | Teil 6: Epilog
Der letzte Tag unserer Exkursion, und auf dem Programm steht der Besuch der Ausstellung „SAY IT LOUD!“ von Jeannette Ehlers. Die großflächigen Videoinstallationen haben in der hohen, abgedunkelten Kunsthalle, einer ehemaligen Kirche, eine große Wirkung. Während wir uns mit der Künstlerin unterhalten, tauchen flüchtig bunt geschminkte Tänzerinnen in der Halle auf, die sich in dem Gebäude für den Karneval, der draußen in den Straßen Kopenhagens im Gange ist, umziehen sollen. „Genau darum geht es!“, grinst Jeannette Ehlers: Längst gibt es auch in Skandinavien Sambagruppen, ist der brasilianische Karneval ein globalisiertes Phänomen. Dabei überlegt man sich kaum, dass er ein hybrides Produkt transatlantischer Verflechtungen ist – genauer gesagt der portugiesischen Kolonialgeschichte, die katholische und antike Traditionen sowie aus Afrika verschleppte Menschen mit ihren Bräuchen nach Südamerika brachte. Die Tänzerinnen huschen auf der Suche nach der Toilette aufgedreht an uns vorbei – und uns werden die historischen und transregionalen Dimensionen unseres Vorhabens regelrecht vorgeführt.
Mitte des 17. Jahrhundert landen dänische Seefahrer erstmals an der Küste der westafrikanischen Guineabucht an; wenig später überqueren sie den Atlantik. Eine Geschichte von Sklavenhandel und Ausbeutung, aber auch von Begegnungen und Austausch und gegenseitiger Beeinflussung beginnt. 1848 wird auf den Dänisch-Westindischen Inseln die Sklaverei abgeschafft, und schließlich werden die Inseln 1917 von den USA gekauft. Die Spuren der kolonialen Vergangenheit sind jedoch noch an vielen Orten erkennbar, so zum Beispiel an Straßennamen auf den US Virgin Islands, am Fort Christiansborg in der ghanaischen Hauptstadt Accra oder an den Kaufmannshäusern in deutschen und dänischen Hafenstädten wie Flensburg oder Kopenhagen. An vielen Orten, wie am Grabmal von Peter von Scholten auf dem Assistenzfriedhof oder im Flensburger Schifffahrtsmuseum, wird aktiv an die Kolonialgeschichte Dänemarks erinnert. In den fünf Tagen unserer Exkursion wird aber auch deutlich, dass nicht alle Spuren so offenkundig sichtbar sind wie die Plakette an einem prachtvollen Kaufmannshaus. Man muss Wissen und Neugier mitbringen, um den „Kolonialstil“ von in restaurierten Speichern untergebrachten Luxushotels zu erkennen und zwischen den Zeilen der Texte und Objekte im Nationalmuseum zu lesen, bis – wie wir erfahren haben – in ein paar Jahren eine überarbeitete Präsentation der Sammlungen kritische Perspektiven auf Kolonial- und Verflechtungsgeschichte integrieren wird.
Während der Exkursion taten sich viele neue Zusammenhänge auf – nicht zuletzt zwischen den Berichten und Projekten unserer Ansprechpartner, die teilweise nicht voneinander wussten. Die Stadtbilder erzählen auf einmal eine sehr vielschichtigere Geschichte. Wir hörten oft, dass das Wissen über den Sklavenhandel noch nicht weit verbreitet und daher noch viel zu tun sei. Wir haben in diesen fünf Tagen viele Menschen getroffen, die sich genau für dieses Weiterdenken und den reflektierten Umgang mit Geschichte einsetzen. Bei ihnen allen möchten wir uns herzlich dafür bedanken, dass sie so großzügig ihre Ideen mit uns geteilt haben!
Als Ergebnis von Seminar und Exkursion lässt sich festhalten, dass global- oder verflechtungsgeschichtliche Zusammenhänge an sehr unterschiedlichen und manchmal nur sehr kleinen Dingen zu beobachten sind: ein Grabstein, ein nach dänischer Tradition geschnitzter aber aus Tropenholz und mit Ananasmuster verzierter Beistelltisch, oder auch eine kritische Ausstellung in einem Karneval feiernden Kopenhagen.