Die Finnlandvermittlerin – Ein Interview mit Laura Hirvi

von NORDEUROPAforum.blog
Die Leiterin des Finnland-Instituts in Berlin, Laura Hirvi. Verwendung mit freundlicher Genehmigung des Finnland-Instituts.

Laura Hirvi
Verwendung mit freundlicher Genehmigung
des Finnland-Instituts.

Seit 1.1.2015 hat das in Berlin ansässige Finnland-Institut in Deutschland eine neue Leiterin. ((Von seinem Aufgabenprofil kann man das Finnland-Institut am ehesten mit einem Goethe-Institut vergleichen. Mehr Informationen auf der Seite der Dachorganisation, welche die 16 finnischen Kultur-Institute sowie das Schwedisch-Finnische Kulturzentrum Hanaholmen bei Helsinki trägt. )) Nach der Vorgängerin Anna-Maja Mertens setzt man erneut auf eine junge weibliche Kandidatin: Die 34-jährige promovierte Ethnologin Laura Hirvi ist in Mannheim aufgewachsen und kehrte nach 10 Jahren in Finnland wieder nach Deutschland zurück, um den Führungsposten in der Hauptstadt zu übernehmen. Wir wollten wissen, wie der Wechsel aus der finnischen Universitätslandschaft nach Berlin war, welche Themen in der nächsten Zeit auf der Agenda stehen und wohin das Finnland-Institut in den nächsten Jahren steuern wird. Die Fragen stellte Jan Hecker-Stampehl.


NORDEUROPAFORUMblog: Frau Hirvi, Sie sind zum Jahreswechsel von Jyväskylä nach Berlin gekommen und nun einige Monate im Amt. Stellen Sie Unterschiede in der Arbeitskultur zwischen Finnland und Deutschland fest? Obendrein ist es ja auch ein Milieuwechsel aus der Wissenschaft in diese Führungsposition.

Laura Hirvi: Dieser Milieuwechsel zeigt sich vor allem im Tempo sehr deutlich. Ein wissenschaftlicher Aufsatz von mir befindet sich momentan seit über einem Jahr im Begutachtungsprozess, davor habe ich ein Jahr für Recherchen und das Verfassen des Textes benötigt, und ein Jahr davor habe ich wiederum Anträge für die Forschungsgelder gestellt, die es mir erlaubten, diesen und andere Texte zu schreiben. Das ist vielleicht für die ein oder zwei Langzeitprojekte, die wir verfolgen wollen, eine gute Schule. Aber der Arbeitsalltag hier am Institut, wo wir Dinge oft schnell entscheiden müssen und auch mal kurzfristig auf den Weg bringen, ist schon ein ganz anderer. Deutlich anders ist aber auch, dass man an der Universität meistens doch eher Einzelkämpfer ist, während wir hier im Team sehr eng miteinander arbeiten. Wir müssen uns hier sehr gut absprechen, das ist ganz klar.

Was die Arbeitskultur betrifft, könnte ich gar nicht sagen, ob es hier so große Unterschiede gibt. Immerhin sind die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Finnland, ich würde aber nach meinem bisherigen Eindruck sagen, es gibt hier keine Arbeitskultur, die speziell deutsch oder speziell finnisch ist. Eigentlich glaube ich, das Finnland-Institut hat seine ganz eigene Arbeitskultur, die sich über die mehr als zwei Jahrzehnte, die das Haus nun existiert, herausgebildet hat. Das Institut hatte ja sehr unterschiedliche Personen in der Leitung, die alle immer wieder etwas Neues mit in die Entwicklung hineingebracht haben.

NOFOblog: Wenn Sie sich die Riege Ihrer Vorgänger anschauen, war das dann eher einschüchternd oder Ansporn, zu sagen „Ich bin ich und mache das nach meiner eigenen Art, egal, wer da vorher war“?

Hirvi: Ich wusste sehr wohl, dass ich in große Fußstapfen trete. Der erste Vergleichspunkt war natürlich meine unmittelbare Vorgängerin Anna-Maja Mertens, einfach, weil ich Ihre Arbeit, aber auch sie als Persönlichkeit und als Frau sehr schätze. Sie hat hier eine großartige Arbeit gemacht, etwa das ganze „Satellitenprogramm“ rund um Finnland als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse letztes Jahr. Es ist schon eine riesige Herausforderung, die Nachfolge einer so erfolgreichen Leiterin anzutreten, wenn man selber der Meinung ist, sie hat auf diesem Posten alles richtig gemacht! Wir haben aber im Vorfeld viele Gespräche geführt und sie hat eine gute Übergabe an mich gemacht. Auch das übrige Personal hat mir erstmal Zeit gegeben, in dem Job anzukommen, so dass es nicht schlimm ist, wenn ich nach mehreren Monaten immer noch fragen muss, wo nochmal das Kopierpapier ist oder wie bestimmte Arbeitsprozesse am Institut geregelt sind. Mindestens das erste halbe Jahr werde ich jetzt sicherlich dafür brauchen, mich auf dieser neuen Position zu definieren und zurechtzufinden. Mir ist es wichtig, die Dinge, die gut laufen, zu übernehmen und gleichzeitig auch neue Impulse zu setzen.

Der Sitz des Finnland-Instituts in Berlin-Mitte. Foto: Bernhard Moosbauer

Der Sitz des Finnland-Instituts in Berlin-Mitte.
Foto: Bernhard Moosbauer

NOFOblog: Sie sind die erste Leiterin mit deutsch-finnischer Herkunft, die in Deutschland aufgewachsen ist. ((Einer der Vorgänger von Laura Hirvi, der Helsinkier Historiker Hannes Saarinen, ist finnisch-deutscher Herkunft.)) Gleichzeitig haben Sie die finnische Kultur und Gesellschaft sehr gut kennen gelernt. Welche Lebenserfahrung, welche Kompetenzen können Sie daraus für Ihre Arbeit an der Spitze des Finnland-Institutes einbringen?

Hirvi: Naja, auch Anna-Maija Mertens hatte ja bereits lange in Deutschland gelebt…aber man könnte sagen, ich bin mit meinen „50 Prozent deutsch“ und „50 Prozent finnisch“ so etwas wie eine Verkörperung der Idee hinter dem Finnland-Institut. Meine Aufgabe ist es hier ja, die Leute zusammenzubringen, deutsch-finnische Netzwerke zu schaffen und da ist es vielleicht von Vorteil, beide Kulturen gut zu kennen. Ich komme nach einer Zeit hier nach Berlin – nach den letzten zehn Jahren –, die für Finnland unheimlich wichtig waren, kulturell, gesellschaftlich und politisch. Ich habe also die Themen, die dort derzeit präsent sind, selbst mitverfolgt und weiß, wie die aktuellen Diskussionen dort entstanden sind. Im Übrigen habe ich meinen gemischten, zweisprachigen Hintergrund nie so empfunden, als stünde ich da zwischen zwei Welten – das ist ganz einfach meine Welt.

NOFOblog: Nachdem Finnland lange als PISA-Wunderland dastand, nach dem Ende des NOKIA-Booms – was kann man den Deutschen heute noch über Finnland erzählen?

Hirvi: Oh, da gibt es eine ganze Menge! Auf dem IT-Sektor tut sich in Finnland ja gerade unheimlich viel in der Computerspiel-Industrie, was mit Angry Birds angefangen hat, ist ja noch längst nicht zu Ende. Finnland hat mit der Startup-Konferenz Slush in den letzten Jahren für Furore gesorgt. Das sind Beispiele, wo die Innovationskraft sichtbar wird, für die die Finnen so bekannt geworden sind. Ein weiterer Punkt ist nach wie vor die Bildung, das Thema bleibt wichtig. Gerade als Familie mit zwei Kindern (eines in der Schule, eines in der Kita) denkt man über dieses Thema persönlich natürlich auch nochmal anders. In Finnland ist man im Bereich der kindlichen Bildung wirklich ganz anders aufgestellt, die Motivation des Personals ist viel höher, auch die Wertschätzung für dessen Arbeit. Hier in Deutschland spricht man immer nur über Bildung, aber die Finanzmittel, die zur Verfügung stehen, sind zu gering, als dass das System funktionieren würde. Das ist eine riesige Gefahr für die Zukunft Deutschlands, gerade wenn man die frühkindliche Bildung in den Kitas so unterschätzt. Die Kinder sollen ja nicht nur am Ende des Tages heil aus der Kita nach Hause kommen, sondern sie sollen dort auch Bildung erfahren.
In dem Bereich könnte man von Finnland einiges lernen. Die Finnen sind der Meinung, dass niemand dumm oder klug zur Welt kommt, sondern man setzt auf die Förderung von Kindern bereits in jungen Jahren, um dann beim Schuleintritt und auch später größere Chancengleichheit herbeizuführen. Auf diesem Sektor investiert Finnland viel Geld, und es bleibt nur zu hoffen, dass sich dies in einigen Jahren auch wieder in einem stärkeren wirtschaftlichen Aufschwung auszahlt.

NOFOblog: Gilt für die Wissenschaft eine ähnlich hohe Wertschätzung wie für den frühkindlichen und schulischen Bereich?

Hirvi: Das würde ich nicht so sagen. In Finnland muss man sich schon ein wenig verteidigen und begründen, warum wir Geisteswissenschaften noch brauchen, dort orientiert man sich immer stärker in Richtung der angewandten Wissenschaften. Für nicht unmittelbar nutzbringende Forschung, bei der man vorher nicht weiß, wohin genau sie führt, gibt es meiner Einschätzung nach in Deutschland doch noch mehr Raum.

NOFOblog: Vor zwei Jahren gab es im Zusammenhang mit dem Deutsch-Finnischen Historikerseminar in Berlin eine Podiumsdiskussion zum Thema „Deutsch-Finnische Beziehungen seit dem Mauerfall“. Ein Fazit war, dass die Beziehungen so unproblematisch sind, dass wir keine Konflikte haben, die Deutschen aber auch nicht viel über Finnland in den Medien erfahren. Jüngstes Beispiel waren die finnischen Parlamentswahlen im April, da wurde gerade mal das Ergebnis und der sich abzeichnende Regierungswechsel vermeldet, danach kam nichts mehr. Ist es nicht eine schwierige Aufgabe, den Deutschen ein zwar positiv konnotiertes, aber doch schwer in der Öffentlichkeit platzierbares Land wie Finnland zu vermitteln?

Hirvi: Der Ansatz des Finnland-Institutes ist es zunächst einmal nicht, Nation-Branding für Finnland zu betreiben. Wir sind keine Marketing-Agentur. Wir bemühen uns darum, für beide Länder essenzielle Themen zu finden und darüber einen gemeinsamen Dialog zu öffnen. Etwas idealisierend könnte man sagen, es geht um die Sicherung friedlichen Zusammenlebens und von Völkerverständigung, und in diesem Interesse wollen wir diesen Dialog ermöglichen und im Gang halten. Wenn es z.B. darum geht, zu erklären, wie es sich als unmittelbarer Nachbar Russlands lebt – natürlich haben wir auf solche Fragen eine Antwort, aber wir sind auch nicht das Außenministerium. Bei solch einem Thema ginge es für uns darum, zu vermitteln, dass es auf diesem Gebiet exzellente finnische Kompetenzen gibt, Experten, die wir zu uns einladen können, damit sie am gemeinsamen Dialog teilnehmen.
Ein anderes Beispiel: Deutschland ist momentan der wichtigste finnische Handelspartner, Deutschland geht es wirtschaftlich und finanziell sehr gut, und wir versuchen schon, durch unsere Aktivitäten Finnland bekannt zu machen und zu zeigen, hier gibt es interessante Investitionsobjekte, es gibt dort sehr hoch qualifizierte Arbeitskraft und gute Arbeitsbedingungen, sprich: Eine Investition dort rentiert sich.
Bei einem Land mit so vielen Einwohnern wie Deutschland – und die Schweiz und Österreich gehören ja auch noch zu unserem Tätigkeitsfeld – ist es schon schwierig, eine Art „zentraler Message“ rüberzubringen. Für uns ist es interessanter, gezielt vorzugehen, also Themen spezifisch z.B. in Berlin oder in Baden-Württemberg zu platzieren. Das sind dann Bausteine, um das Interesse an Finnland nach und nach aufzubauen, so dass die Verbindungen ab einer gewissen Zeit dann – hoffentlich – von ganz alleine weiterlaufen.

NOFOblog: Der Schwerpunkt der Instituts-Arbeit liegt natürlich auf dem Standort Berlin, aber wie Sie schon angedeutet haben, agiert das Institut bundesweit und auch in den anderen deutschsprachigen Ländern. Können Sie uns ein Beispiel geben, wie sich die Themen, die man in Berlin setzt, von denen in Baden-Württemberg, unterscheiden?

Hirvi: Berlin ist als Hauptstadt und Regierungssitz unweigerlich der Schwerpunkt, hier sitzen nun mal viele Institutionen, mit denen wir regelmäßig kooperieren. Dass ich eben Baden-Württemberg nannte, hat mit dem sehr großen Erfolg des Vorbereitungs- und Begleitprogramms zur Buchmesse letztes Jahr zu tun. Dort sind aufgrund unserer Aktionen mit dem Programm COOL2014 viele Verbindungen nach Finnland entstanden. Diese Kontakte wollen wir jetzt nutzen und darauf aufbauend die Beziehungen vertiefen. Es gibt Themen, die landesweit und sowohl für Finnland als auch Deutschland in den kommenden Jahren von Bedeutung sind, etwa eines unserer kommenden Schwerpunktthemen: Migration. Man kann sich aber auch überlegen, ob es gemeinsame Interessen zwischen Finnland und sagen wir mal…dem Schwarzwald gibt – das ist ganz einfach: das Thema Holz. Also haben wir zum Beispiel unsere Wanderausstellung über das Thema Holzdesign nach Freudenstadt vermittelt und werden sie im Juni dort eröffnen. Das wäre so ein Beispiel, wie sich für diese Region in Süddeutschland spezifische Fragen mit aktuellen Diskussionen in Finnland treffen können.

NOFOblog: Was sind denn die zentralen Themen und Projekte für die nächste Zeit?

Hirvi: Das Thema Migration und Mobilität wird ab nächstem Jahr ein großer Schwerpunkt in unserer Arbeit sein. Wir wollen uns diesem Komplex aus ganz verschiedenen Blickwinkeln nähern, also natürlich klassisch durch Vorträge und wissenschaftliche Veranstaltungen, aber auch über die Kunst. Zwei in Berlin lebende finnische Künstler werden wir präsentieren, bei deren Ausstellungen es darum gehen soll, welchen Einfluss die Stadt, in der man lebt, auf den Künstler und seine Kunst hat.
2017 feiert Finnland sein hundertjähriges Bestehen als unabhängiger Staat, in diesem Rahmen möchten wir Veranstaltungen unter das Motto „mobile home“ stellen. Wir spielen da ein wenig mit den Begriffen „koti“ [zu Hause, Heim] und „kotimaa“ [Heimatland]. Was bedeutet es denn, ein zu Hause zu haben in der heutigen mobilen Welt? Was verstehen wir heute unter „Heimatgefühl“, wer „darf“ von sich behaupten, er sei in Finnland zu Hause und wer stellt dies in Abrede? Wer sind eigentlich „Die Finnen“?
Auch Musik wird ein großes Thema sein, die Institution Music Finland versucht momentan sehr stark, finnische Musik gerade auch auf den deutschen Markt zu exportieren. Wir helfen dabei mit, erste Resultate  gibt es beim Reeperbahnfestival im September zu hören, z.B. die Auftritte der Sängerin Mirel Wagner. Nächstes Jahr wollen wir einen stärkeren Akzent auf Jazzmusik legen.

NOFOblog: Beim Thema „100 Jahre Finnland“ hatte ich als Historiker eben ganz andere Assoziationen, Mirel Wagner ist mit ihrer äthiopischen Abstammung alles andere als eine „typische  Finnin“. Das wirkt alles sehr erfrischend – weht jetzt ein neuer Wind durch das Finnland-Institut? Geht es um ein deutlich moderneres Bild von Finnland?

Hirvi: Ich finde, bei der Kultur ist es wie bei den Arbeitsprozessen, über die wir vorhin sprachen: Man soll das Alte bewahren, aber auch für ausreichend neue Impulse sorgen. Was „Finnland“ ist, ist für mich nicht statisch, sondern das entwickelt sich immer weiter. In meinem Büro hier stehen tolle Möbel von artek – die würde ich nie im Leben hier entfernen. ((artek ist eine legendäre finnische Designfirma, mittlerweile in Schweizer Händen, 1935 gegründet von u.a. Alvar Aalto.)) Aber ich möchte hier gerne auch optisch einiges verändern, um ein Zeichen zu setzen, dass wir in die Zukunft sehen sollten. Das gilt auch für die politische Entwicklung in Finnland, ich hoffe sehr, dass man in Helsinki begreift, dass man sich der Zukunft stellen muss und eine Antwort finden muss auf die Frage „Was für ein Finnland wollen wir denn eigentlich?“ Es wäre wichtig, wenn man diese Frage vor allem als Inspiration versteht, auch für uns hier am Institut, denn wir wirken ja an diesem Prozess mit, wir sind ja irgendwie auch ein Teil Finnlands.

NOFOblog: Thema Kommunikation: Das Finnland-Institut ist bereits auf vielen Kanälen aktiv – Facebook, Twitter, Instagram, Vimeo, im Herbst 2012 wurde ein Blog ins Leben gerufen. Sind Sie mit der Präsenz des Instituts in den Social Media zufrieden oder gibt es da noch Luft nach oben?

Hirvi: Meine erste Frage bei Bewerbungsgesprächen für Praktika lautet: Wie sieht’s aus mit sozialen Medien? Ich hoffe, die Frage muss man in fünf Jahren nicht mehr stellen, weil die Praktikanten dann deutlich kompetenter sind als ich es heute bin. Die sozialen Medien bieten so viel Potenzial, auch wenn man noch nicht weiß, wohin das alles genau führen wird. Es ist teilweise ganz aufschlussreich: Die meisten unserer Follower auf Twitter sind aus Finnland, bei Instagram haben wir ein sehr bunt gemischtes internationales Publikum…ich finde, man muss jetzt selbst auf den Zug aufspringen und selber testen, was die Nutzung dieser Kommunikationskanäle bringt. Welche Hashtags, welche Bilder bringen viel Aufmerksamkeit? Auf Veranstaltungen bei uns im Haus versuchen wir herauszubekommen, über welchen Kanal die Anwesenden die Information darüber erhalten haben. Es ist ganz interessant, wenn sich eine Institution in den Social Media betätigt, das ist etwas anderes, als wenn ich als Person mit meinem privaten Twitter-Account so eine Art „semi-persönliche“ Statusmeldungen absetze. Facebook eignet sich für das Institut sehr gut, um auf Veranstaltungen hinzuweisen, die Blogs können Themen gut und kostengünstig hervorheben, Instagram nutzen wir vor allem, um Bilder, z.B. von kommenden Ausstellungen, zu posten.

NOFOblog: Wie bekannt ist das Finnland-Institut eigentlich in Finnland selbst?

Hirvi: Das ist ein wichtiger Punkt, der ganz klar auf unserer Agenda steht, auch bei anderen Finnland-Instituten in der Welt. Das Geld kommt aus Finnland, wir arbeiten für Finnland, wir wollen, dass finnische Akteure, Wissenschaftler, Künstler etc. wissen, dass es uns gibt. Wir wollen gerne für sie arbeiten, aber dafür müssen sie überhaupt erst einmal wissen, dass wir da sind und was für eine Arbeit wir machen. Anknüpfend an die vorherige Frage: Für die Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache sind gerade die sozialen Medien für uns sehr hilfreich und effizient. Wir alle nutzen die Accounts des Finnland-Instituts, um auf den verschiedenen Medien Meldungen zu posten, damit so ein Bild davon entsteht, was wir hier tun, auch in Finnland. Unser Interesse, diese Botschaft „uns gibt es und wir sind für euch da“ zu verbreiten, wird dazu führen, dass ich in nächster Zeit auch etwas mehr in Finnland unterwegs sein werde als auf diesem Posten üblich. Ich werde das Institut vielen kulturellen Institutionen vorstellen, gleichzeitig sollen die Mitglieder des Kuratoriums, das in Finnland sitzt, noch aktiver auf unsere Tätigkeit hinweisen und dafür werben.

Ein Blick in die Bibliothek des Finnland-Instituts. Verwendung mit freundlicher Genehmigung des Finnland-Instituts.

Ein Blick in die Bibliothek des Finnland-Instituts.
Verwendung mit freundlicher Genehmigung des Finnland-Instituts.

NOFOblog: Ist so eine Art „Imagekampagne“ in Zeiten, wenn selbst in Finnland die Haushaltslage alles andere als rosig ist, vielleicht gar dringender denn je?

Hirvi: Auf jeden Fall. Die Situation in Finnland ist angespannt, auch wenn sie noch nicht mit der Rezession Anfang und Mitte der 1990er Jahre vergleichbar ist. Wenn man die deutschen Zeitungen liest, ist es sehr einfach, dies zu übersehen, denn Deutschland geht es wirtschaftlich und damit finanziell gesehen unglaublich gut. Die Lage in Finnland ist noch stabil, aber alle wissen eigentlich: Jetzt bald muss etwas passieren, damit die Wirtschaft wieder einen Aufwärtstrend erlebt. Man muss aber auch die positiven Aspekte hervorheben. NOKIA geht es besser als man vielleicht denkt, mit ihrem Kartensystem stehen sie sehr gut da. Die Firma KONE, die Aufzüge und Rolltreppen herstellt, hat sich schon vor Jahren gut auf dem asiatischen Markt positioniert und profitiert davon seit langem. Dass auch ein so traditioneller Erwerbszweig wie die Holzindustrie in der Krise steckt, liegt schlichtweg an der fortschreitenden Digitalisierung und der zunehmenden Nutzung von Online-Inhalten – da wird nun mal weniger Papier gebraucht.
Aus meiner Sicht ist das derzeitige Dilemma, in dem die finnische Wirtschaft steckt, die Umsetzung von Ideen in Produkte, die sich gut verkaufen lassen. Wissen, Know-How, die nötigen Skills – das haben die Finnen auf jeden Fall! Also wie verdient man mit den Ideen Geld, findet Marktlücken und setzt sich dann noch gegen die Billigkonkurrenz aus anderen Ländern durch? Es gilt ja auch, das Niveau des finnischen Wohlstandes einigermaßen zu halten. Unsere Aufgabe ist es als Kulturinstitut wie eine Art Vermittler, ein Türöffner zu fungieren.

NOFOblog: Die Wirtschaft ist ja Teil des vollständigen Namens des Finnland-Institutes – welchen Stellenwert hat dieser Arbeitsbereich denn tatsächlich? ((Der vollständige Name des Institutes lautet: Finnland-Institut in Deutschland für Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft GmbH (gemeinnützig). ))

Hirvi: Was unter „Wirtschaft“ fällt, nimmt sicher den kleinsten Teil unserer Tätigkeit ein. Ein Beispiel, wie wir als doch eher kulturell orientiertes Institut an das Thema herangehen, wäre die Kreativwirtschaft. Wir wollen stärker mit der Musikindustrie, mit der Modeindustrie oder mit Designfirmen zusammenzuarbeiten oder versuchen, Wirtschaftsfragen in ein Ausstellungskonzept einzubinden. Eine Idee für die Zukunft ist, junge Designer anzufragen, ausgewählte Objekte z.B. in diesem Arbeitszimmer auszustellen. Wir sprachen vorhin über artek-Möbel, aus dem simplen Grund, weil sie hier stehen und viele das Design kennen. Wenn etwas Anderes hier zusätzlich steht, kommt man ins Gespräch darüber und vielleicht setzt sich der Name fest. Eine weitere Idee: Wir wollen in Berlin lebende finnische Künstler sichtbarer machen. Jedes Jahr soll ein neuer Künstler eines seiner Werke in meinem Arbeitszimmer aufhängen und damit präsentieren können. Wenn ein Werk einem Besucher dann besonders gut gefällt, könnten wir den Kontakt zum Künstler für einen möglichen Verkauf herstellen. Es sind oft auch viele kleine Schritte hin zum größeren Ziel.
Unterm Strich bleibt die Kultur aber unser größtes Aufgabenfeld, auf diesem Feld ein attraktives Veranstaltungsangebot auf die Beine zu stellen, das bleibt für uns das wichtigste. In diese Kulturangebote versuchen wir dann auch immer wieder, wissenschaftliche Aspekte zu integrieren. Unsere aktuelle Ausstellung beschäftigt sich mit Kleidern, dazu machen wir dann auch eine gemischt deutsch und finnisch besetzte Podiumsdiskussion mit einer Modesoziologin, einem Modejournalisten, einem Designer und einer Modetheoretikerin.

NOFOblog: Zum Schluss: Wo sehen Sie das Finnland-Institut in fünf Jahren?

Hirvi: Es wird nicht unbedingt einfacher in der nächsten Zeit – durch Mittelkürzungen haben wir schon jetzt weniger Personal. Das Finnland-Institut hat sich im Lauf der Jahre eine exzellente Position erarbeitet – die gilt es erstmal, zu halten. Was ich eben erwähnte, diese multiperspektivische Herangehensweise durch die Verknüpfung von kulturellen mit wissenschaftlichen, und bisweilen auch wirtschaftlichen Aspekten – das sollten wir noch weiter vorantreiben. Es werden in Zukunft dann vielleicht wieder weniger Events, aber wenn man die entsprechend inszeniert und dabei auf Qualität achtet, können die auch viel Wirkung entfalten. Wirklich wichtig wird es in diesen Jahren sein, unsere Arbeit einerseits in Finnland bekannter zu machen und andererseits neues Publikum in Deutschland zu gewinnen – vielleicht gerade auch jüngeres Publikum.

NOFOblog: Frau Hirvi, herzlichen Dank für dieses Gespräch!