- 29.02.2012
- Kategorie Geschichte / Archäologie
Ein 30. Februar – vor 300 Jahren in Schweden
Sie haben richtig gelesen: 30. Februar! Ist der heutige 29.2. schon selten genug, so ist dieser es noch mehr. Vor 300 Jahren gab es in Schweden ein kalendarisches Kuriosum, das in der Geschichte menschlicher Kalenderführung einmalig geblieben ist: Es wurde ein zusätzlicher Schalttag eingeschoben, ein 30. Februar, um nach einiger Verwirrung um eine Kalenderreform wieder zum Julianischen Kalender zurückzukehren. Das Thema hat im Netz jetzt angesichts seines 300. Jubiläums schon einige Runden gemacht. Die technische Seite hat der „Unterhaltungsmathematiker“ Heinrich Hemme, wie ihn seine eigene Hochschule, die FH Aachen bezeichnet, kürzlich gut erläutert.
Historisch klafft in Hemmes Erklärung aber eine ziemliche Lücke, denn tatsächlich hat man nach der Einführung des Gregorianischen Kalenders 1582 in Schweden anschließend nicht noch 130 Jahre herumüberlegt, wie man den Wechsel vom Julianischen zum Gregorianischen Kalender denn nun bewerkstelligt. Wie oft bei kalendarischen Umstellungen, so spielen auch hier politische Überlegungen, konkret religions- oder konfessionspolitische Umstände eine gewichtige Rolle.1 Schweden war infolge der Reformation zu einem einheitlich lutheranischen Land geworden, mit dem schwedischen König als nicht nur politischem, sondern auch kirchlichem Landesherrn. Es herrschten strenge konfessionelle Regeln, welche die Einwanderung von Katholiken und anderen Konfessionen beschränkten oder ganz verhinderten. Im Dreißigjährigen Krieg schwang sich der schwedische König Gustav II. Adolf bei seinem Kriegsantritt auf dem Territorium des Reichs zum Retter des Protestantismus auf bzw. wurde in entsprechender Weise glorifiziert. Den „papistischen Kalender“ einzuführen, hätte also konfessionellen Verrat bedeutet. In vielen protestantischen Ländern wurde der Gregorianische Kalender wegen seiner aus der Sicht vieler besser funktionierenden Schalttagsregelung um 1700 letztlich doch eingeführt, so eigentlich auch in Schweden.
Weil man – worauf auch Heinrich Hemme hinweist – den Befürchtungen der Menschen bei einer plötzlichen Kalenderumstellung entgegenwirken wollte, war zunächst eine schleichende Kalenderreform geplant. Anstatt, wie bei seinen protestantischen Nachbarn in Dänemark oder im protestantischen Teil des Reichs, den Kalender auf einen Schlag um elf Tage nach vorne zu verschieben, sollte in Schweden von 1700 an in den folgenden elf Schaltjahren jeweils der Schalttag wegfallen. Das hätte geheißen, die Umstellung erst 1740 vollenden zu können. Nach dem Streichen des Schalttags 1700 geriet die Reform jedoch in Vergessenheit – vermutlich primär wegen des Großen Nordischen Krieges (1700–1721), wahrscheinlich war die Angelegenheit aber auch zu langwierig und kompliziert. Schweden hatte daher für einige Jahre durch diese nicht durchgeführte Reform einen eigenen Kalender, der einen Tag vor dem Julianischen und zehn Tage hinter dem Gregorianischen lag, was einige Probleme im Umgang mit anderen Staaten verursachte. Mit dem 30. Februar ging man 1712 auf Veranlassung Karls XII. wieder zum „alten Stil“, also zum Julianischen Kalender zurück.
Schwedischer Almanach von 1712, beim 30. Februar steht „Tillökad“, also „hinzugefügt“
Bildquelle: Wikimedia Commons
Auf Dauer erwies sich dies aber auch nicht als praktikabel, da ja auch andere protestantische Staaten ihre Vorbehalte gegenüber dem Gregorianischen System sukzessive hatten fallen lassen. Einiges dürfte dabei die wachsende Bedeutung der Diplomatie und die zunehmende Verstetigung von Kontakten mit anderen Staaten, etwa durch die längere oder gar dauerhafte Präsenz von Botschaftern bewirkt haben. Es dauerte dann noch bis 1753, bis man – ein Jahr nach Großbritannien – zum „neuen Stil“ überging und dabei wie andere zuvor einfach elf Tage strich und vom 17. Februar sofort zum 1. März überging. „Nicht alle Bürger jubelten über diese Justierung. Man fasste das so auf, als nähme man 11 Tage ihres Lebens fort.“2
1 Vgl. die Beiträge in Markwart Herzog (Hg.): Der Streit um die Zeit. Zeitmessung – Kalenderreform – Gegenzeit – Endzeit. Stuttgart 2002.
2 http://www.algonet.se/~hogman/tiderakning.htm