- 19.11.2014
- Kategorie Geschichte / Archäologie
Mit den Greifen über Schweden
Auf meinem letzten Inlandsflug in Schweden war der pommersche Greif ein Begleiter, den ich nicht unbedingt erwartet hatte. Die schwedische Fluggesellschaft Malmö Aviation trägt den gekrönten pommerschen Greifen in ihrem Firmenlogo und auch die Bordzeitung des Unternehmens trägt den kurzen Titel Grip, also Greif.
Bei genauerer Betrachtung ist der Greif in und um Malmö ein ständiger Begleiter: Er wird von weiteren Firmen genutzt, die ihren Sitz in Schonen haben bzw. hatten: Die Lundenser Studentenverbindung Malmö Nation nutzt ihn als Symbol und benennt ihre Studentenzeitung auch nach dem Greifen. Die Suche schweift von der Luft zum Boden – auch die Gullydeckel in Malmö zeigen den Greifen.
Der Anfang dieser Darstellungsbegeisterung ist in der Wappenverleihung Eriks von Pommern an Malmö 1437 zu suchen. In dem erhaltenen Privileg heißt es, die Gemeinde Malmö solle für immer die beschriebenen Wappen und Kleinodien auf ihrem Siegel und Schild führen. Folgend wurde das Wappen näher beschrieben: auf weißem Feld ein roter Greifenkopf mit rotem Hals und roten Ohren mit einer goldenen Krone auf dem Haupt sowie auf dem Helm ebenso ein rotes Greifenhaupt mit einer goldenen Krone sowie einem Busch weißer und roter Straußenfedern. ((Weibull, Lauritz: Diplomatarium civitatis Malmogiensis Monumenta Scaniae historia. Malmö Stads Urkundsbok. Malmö 1901, Nr. 8, S. 28f.: til ewich tiidh thesse vnderscreffne wapn oc clenodia vti jncigle oc schiold af føre, swasom er et røt grips howith meth rød hals oc øren oc owen pa howithet een forgult krone vti et hwit feld, oc vpa hielmen sammelethis eet røt grips howit meth een forgylt krone meth een busk strudzfiedhere myt aa kronen, hwidh oc rød.)) Zur genaueren Beschreibung findet sich auf dem Wappenprivileg eine Zeichnung dieses Wappens. ((Zum Symbol des Greifen und der Nutzung durch die Pommerschen Herzöge vgl. allg. Werlich, Ralf-Gunnar: „…welches den Greifen führt…“ – Das Geschlecht der Herzöge von Pommern und seine heraldischen Herrschaftssymbole, in: ders./Buske, Norbert/Krüger, Joachim (Hgg.): Die Herzöge von Pommern. Zeugnisse der Herrschaft des Greifenhauses. Weimar 2012, S. 163–254.))
Nach einer kurzen Recherche zeigt sich, dass das Malmöer Wappen heute das einzige offizielle Kommunalwappen in Schweden ist, das den Greifen zeigt und somit auf die Zeit des ersten Unionskönigs der Kalmarer Union zurückgeht. Auf der Ebene der schwedischen Regionen findet sich noch das Wappen Schonens, das ebenso den Greifen zeigt. Dieses geht jedoch auf spätere Entwicklungen zurück, als Schonen nach 1658 an Schweden fiel und kein eigenes Wappen hatte. Zur Repräsentation der neugewonnenen Landschaft auf dem Begräbnis Karls X. Gustav 1660 wurde kurzerhand ein neues geschaffen, wobei man sich an dem Wappen Malmös orientierte. ((Vgl. http://sv.wikipedia.org/wiki/Sk%C3%A5nes_landskapsvapen – zuletzt 10.11.2014)) In Dänemark findet sich kein einziges Kommunalwappen, welches auf die Herrschaft des Greifen Erich von Pommern zurückzuführen ist.
Die Privilegierung Malmös steht in Zusammenhang mit einer Konzentration des Königs aus dem Greifengeschlecht auf die Öresundregion. Seit März 1413 stärkte Erik von Pommern diese Region in wirtschaftlicher, militärischer und politischer Hinsicht. Er gründete die Stadt Landskrona, befestigte die östliche Seite des Öresunds mit der Festung Krogen und verlagerte die Stadt Helsingör. Darüberhinausgehend erwarb er Kopenhagen für das dänische Königtum. In Malmö verlieh er dem Rat weitere Privilegien und sorgte für die Befestigung der Stadt. ((Vgl. Werlich, Ralf-Gunnar: Königtum und Städte in Dänemark. Diss. Phil. Greifswald 1989, S. 104–133.))
Die visuelle Anbindung Malmös an das Herrscherhaus der Greifen ist in Spannungen innerhalb der Kalmarer Union zu suchen. Erik von Pommern entstammte dem Geschlecht der pommerschen Herzöge aus der Seitenlinie der Herzöge von Pommern-Stolp und erhielt zunächst den typischen Namen Bogislaw. Durch dynastische Zufälle und die energische Politik seiner Ziehmutter Margrete I. von Dänemark avancierte der junge Pommer zum Thronfolger in Dänemark, Schweden und Norwegen als Erik VII., Erik XII. und Erik III. Ab 1397 war er Regent der Kalmarer Union, die diese drei Königreiche zusammenfasste. Nach dem Tod Margaretes I. 1412 war Erik Alleinregent, wobei er die Interessen der verschiedenen Reichsräte stets in seine Politik mit einkalkulieren musste. Solange der Interessenausgleich funktionierte waren keine größeren Spannungen innerhalb der Union festzustellen. Dies wandelte sich jedoch in den 1430er Jahren. In Schweden brach 1434 ein Aufstand aus, der sich zunächst gegen eine Erhöhung von Abgaben richtete. Diesem Aufstand schlossen sich schwedische Hochadlige an, wobei nun v.a. die zentralistische Regierungsweise Eriks mit der Bevorzugung nichtschwedischer Adliger für schwedische Reichsgüter und dessen Thronfolgepläne für die drei nordischen Königreiche im Mittelpunkt standen. Zunehmend vehementer versuchte der König eine pommersche Thronfolge für die Unionsreiche durchzusetzen. Ins Auge fasste er dabei seinen Cousin Bogislaw IX., der auch im oben erwähnten Wappenbrief Malmös als Thronfolger genannt ist. Angesichts dieser Politik einer Bevorzugung pommerscher Verwandter des Königs – Bogislav wurde mit bedeutenden Burgen und Besitzungen in Dänemark bedacht – brach auch Unmut im dänischen Reichsrat aus. ((Vgl. Olesen, Jens E.: „The Governmental System in the Union of Kalmar, 1389–1439“, in: Riis, Thomas: Studien zur Geschichte des Ostseeraumes I. Odense 1995, S. 49–66, hier: S. 55 und Werlich, Ralf-Gunnar: „Bogislaw IX. von Pommern-Stolp – ein Pommer in den dynastischen Plänen der nordischen Reiche in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts“, in: Pommern. Geschichte, Kultur, Wissenschaft. 2. Kolloquium zur Pommerschen Geschichte 13. u. 14. Sept. 1991. Greifswald 1991, S. 37–58.))
Auch wenn 1436 ein Ausgleich zwischen Erik und dem schwedischen Reichsrat erzielt werden konnte, waren die Probleme, die Erik mit dem Adel seiner Reiche hatte, nicht vollständig ausgeräumt. Auch in Dänemark wuchs 1438 die Unzufriedenheit mit Eriks zentralistischem Regierungsstil und seinen Plänen, die Greifen als Erben der Unionskönigswürde zu installieren. Der Konflikt zwischen den Mitgliedern der Reichsräte und Erik von Pommern kulminierte schließlich 1439 in der aufeinander folgenden Absetzung Eriks als König in Dänemark und Schweden. Die Norweger schlossen sich dieser Entscheidung später an – die Union zwischen den Reichen sollte aber fortbestehen. Die Wappenverleihung an Malmö ist in diesem Kontext als Versuch des Königs zu verstehen, in einer schwierigen Zeit Verbündete in einer der wichtigsten Handelsstädte der Öresundregion zu gewinnen. ((Die Ereignisse konnten hier nur äußerst verkürzt umrissen werden. Als letzte Darstellung der Unionsgeschichte findet sich von schwedischer Seite Band 3 aus Sveriges Historia mit entsprechenden Kapiteln. Vgl. Harrison, Dick/Eriksson, Bo: Sveriges Historia. 1350–1600. Stockholm 2010.))
Um den Konflikten in seinen Reichen zu entgehen und um eine zentrale Position im Ostseeraum einzunehmen, zog sich Erik 1438 nach Gotland zurück. Von dort aus versuchte er bis 1449 weiterhin Einfluss auf die Entwicklungen innerhalb der Kalmarer Union zu nehmen. Gotland war auch schon vorher ein sicherer Hafen für Erik. Das Privileg für Malmö wurde1437 so auch auf der Visborg abgefasst – seit dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts eine der bedeutendsten Burganlagen des Ostseeraums. Seinen Lebensabend verbrachte Erik schließlich wieder als Herzog von Pommern-Stolp, er starb 1459 in Rügenwalde/Darłowo.
An die Zeit des Unionskönigs aus dem Greifengeschlecht erinnern also noch heute der Greif im Stadtwappen Malmös oder die Fluggesellschaft Malmö Aviation. Auch wenn Erik von Pommern seine Königswürde am Ende verlor, ist es noch möglich mit dem König über Schweden und die Ostsee zu reisen…