Sklaven- und Dreieckshandel in skandinavischer Literatur, Kunst und Erinnerungskultur | Teil 2: Geschichte

von ScandBlackAtlantic

Was hat es eigentlich mit dem Dreieckshandel auf sich? Welche Rolle spielte darin der Sklavenhandel? Und in welcher Weise war Dänemark daran beteiligt? Neben theoretischen Ansätzen beschäftigen wir uns vor der Abreise nach Flensburg und Kopenhagen auch mit den historischen Zusammenhängen, Orten und Begrifflichkeiten. Diese gilt es zu klären, bevor wir uns mit den sich darauf beziehenden Spuren, Repräsentationen und Reflexionen auseinandersetzen können.

Mit dem Begriff des Dreieckshandels wird schematisch ein zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert bestehender Wirtschaftskreislauf zwischen Europa, Westafrika, der Karibik und den Amerikas beschrieben. Europäische Reeder schickten mit Schießwaffen, Munition, Alkohol und Textilien beladene Schiffe nach Westafrika. Dort wurden die Güter eingetauscht gegen versklavte Menschen; mit ihnen an Bord ging die Reise weiter über den Atlantik in die Karibik sowie nach Süd- und Nordamerika, wo die SklavInnen als Arbeitskräfte auf Plantagen eingesetzt wurden. Die Rohstoffe wurden nach Europa verschifft und dort weiter verarbeitet und verkauft – die Grundlage für wachsenden und bis heute nachwirkenden Reichtum der Kaufleute und Städte.

Wie genau sah die dänische Beteiligung an dieser Dimension des Kolonialismus aus? Welche Orte und Ereignisse sind für eine Beschreibung des „dänischen atlantischen Dreiecks“ relevant? Die ersten Schiffe der Dänischen Westindien-Kompanie wurden Anfang des 18. Jahrhunderts auf die Reise geschickt. Die Handelsroute verband dänische Häfen mit der sogenannten Goldküste an der westafrikanischen Guineabucht (heute: Ghana) und den Dänisch-Westindischen Inseln St. Thomas, St. Croix und St. Jan in der Karibik (heute: US Virgin Islands). Schätzungen zufolge wurden 100 000 SklavInnen mit dänischen Schiffen über den Atlantik gebracht, wo sie auf Zuckerrohrplantagen arbeiteten. Der Rohrzucker wurde dann raffiniert oder zu Rum weiterverarbeitet. Neben Kopenhagen war auch Flensburg, das bis zum Dänisch-Deutschen Krieg 1864 vom dänischen König regiert wurde, eine wichtige Station für den transatlantischen Handel. Bis 1864 war Flensburg nach Kopenhagen zweitgrößter Hafen im dänischen Machtbereich, außerhalb des Königtums Dänemarks sogar der größte. Flensburger Kaufleute importierten in großem Umfang Zucker aus Dänisch-Westindien und entwickelten die Stadt zu einem Zentrum des Handels mit Rum.

Der dänische Dreieckshandel:  Mit der Kuratorin Susanne Grigull im Flensburger Schifffahrtsmuseum

Der dänische Dreieckshandel:
Mit der Kuratorin Susanne Grigull im Flensburger Schifffahrtsmuseum
CC-BY Wencke Gubisch

1792 verordnete König Christian VII. die Abschaffung des transatlantischen Sklavenhandels. Damit war Dänemark-Norwegen die erste europäische Kolonialmacht, die den Sklavenhandel verbot. Allerdings trat die Verordnung erst 1803 in Kraft. Darüber hinaus nutzten Plantagenbesitzer in der dänischen karibischen Kolonie bis zur vollständigen Abschaffung der Sklaverei im Jahr 1848 die Arbeitskraft versklavter Menschen – länger z.B. als Großbritannien, das die Sklaverei bereits 1833 aufgegeben hatte. Bis heute werden in der dänischen Geschichtsschreibung die zwei Ereignisse besonders hervorgehoben, die Dänemark (bzw. bis Auflösung der Personalunion 1814 Dänemark-Norwegen) im Vergleich mit den anderen Kolonial- und Handelsmächten als human und liberal erscheinen lassen: die frühe Abschaffung des Sklavenhandels sowie die eigenmächtige Emanzipation der SklavInnen auf Dänisch-Westindien durch den Generalgouverneur Peter von Scholten 1848. Weniger bekannt sind sowohl die genauen Umstände von dänischem Kolonialismus und Sklaverei als auch der erhebliche Einfluss, den die Widerstandsbewegungen der SklavInnen auf die Ereignisse hatten.

Neben Dänemark zweiter Eckpunkt des „dänischen Dreiecks“, Schauplatz einer bis heute nachwirkenden Verflechtungsgeschichte: Die „dänische Goldküste“. Ab den 1650er Jahren bauten und verwalteten die dänischen Handelskompanien Forts an dem Küstenabschnitt der Guineabucht, der heute zu Ghana gehört. Sie fungierten als Stützpunkte für den Handel u.a. mit versklavten Menschen. 1750 wurden die Besitzungen eine dänische Kronkolonie. Hundert Jahre später wurden die verbliebenen Anlagen an Großbritannien verkauft; bis zur Unabhängigkeit Ghanas 1957 blieb die „Goldküste“ britische Kolonie. Insgesamt verfügte Dänemark im Lauf der zwei Jahrhunderte über acht Forts – die Hoheit wurde jeweils durch Verhandlungen und Streitigkeiten mit lokalen Mächten und den anderen europäischen Kompanien und Kolonialmächten erreicht und immer wieder von Okkupationen unterbrochen. Der wichtigste dänische Stützpunkt war das Fort Christiansborg in Accra, heute die Hauptstadt Ghanas. Heute eher unter dem Namen Osu Castle bekannt, ist es Sitz der ghanaischen Regierung. Neben dem Kopenhagener Schloss Christiansborg gibt es also noch eine Burg mit demselben Namen als Regierungssitz!

Die 1652 gebaute Burg Christiansborg in Ghanas Hauptstadt Accra. Die Burg war lange Zeit wichtige Basis für Sklavenjäger und der größte dänische Stützpunkt an der damaligen Goldküste. „Christiansborg Castle2“. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons - http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Christiansborg_Castle2.jpg#/media/File:Christiansborg_Castle2.jpg

Die 1652 gebaute Burg Christiansborg in Ghanas Hauptstadt Accra.„Christiansborg Castle2“.
Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons

Osu Castle, Sitz der ghanaischen Regierung, heute. CC-BY Lill-Ann Körber

Osu Castle (die frühere Christiansborg), heute Sitz der ghanaischen Regierung.
Accra, Ghana, im Februar 2014
CC-BY Lill-Ann Körber

Um das Jahr 1800, als der Sklavenhandel in Frage gestellt und schließlich verboten wurde, wurden erste Überlegungen zu einer anderweitigen Nutzung der Besitzungen angestellt. In der Folgezeit wurden – mit mäßigem ökonomischem Erfolg – unter dänischer Verwaltung insgesamt 15 Plantagen angelegt. Das Verwaltungsgebäude der Plantage Frederiksgave nördlich von Accra wurde in den 2000er Jahren als Ergebnis einer Kooperation der Universität Ghana Legon und dem dänischen Nationalmuseum als Museum und „Common Heritage Site“ wieder errichtet.

Im anglophonen Diskurs über den Dreiecks- und Sklavenhandel wird die Schiffsroute zwischen Westafrika einerseits und der Karibik und den Amerikas andererseits als „middle passage“ bezeichnet. Auch zwischen den dänischen Besitzungen an der „Goldküste“ und in der Karibik wurden Menschen verschleppt und Güter transportiert. Zielort der Schiffe waren in erster Linie die „Dänisch-Westindischen Inseln“. Mit „Dänisch-Westindien“ wird die aus den Inseln St. Thomas, St. Croix und St. Jan (oder St. John) bestehende dänische (bis 1814 dänisch-norwegische) Kolonie in der Karibik bezeichnet. Nach einer ersten Annexion 1666 wurden St. Thomas ab 1672 und die Nachbarinsel St. Jan ab 1675 von der Dänisch-Westindisch-Guinesischen Kompanie verwaltet und dänische Siedlungen eingerichtet. 1733 wurde St. Croix, das sich topographisch für die Errichtung großer Zuckerrohrplantagen am besten eignete, von Frankreich erworben.

„Dänisch-Westindien“: Abbildung aus dem Flensburger Schifffahrtsmuseum, CC-BY Karina Henschel

„Dänisch-Westindien“: Abbildung aus dem Flensburger Schifffahrtsmuseum
CC-BY Karina Henschel

Der für Dänemark ökonomisch sehr erfolgreiche Betrieb von Freihäfen und Plantagen beruhte allerdings auf der Arbeitskraft versklavter Menschen, deren Aufstände immer wieder niedergeschlagen wurden. Der Widerstand verstärkte sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als Kunde von den Befreiungskämpfen in anderen Kolonien kam, u.a. von der – wiederum von der Französischen Revolution inspirierten – Haitianischen Revolution, die zum ersten von ehemaligen SklavInnen gegründeten unabhängigen Staat führte. Dänemark-Norwegen reagierte mit einem Verbot des Sklavenhandels. 1848 drohte ein erneuter Aufstand, dem König Frederik VII. zunächst mit einem Gesetz beizukommen versuchte, das Neugeborene, nicht aber ihre Eltern, frei erklärte.

 

Historische Fotografien aus Dänisch-Westindien, um 1910, Flickr, Sammlung "Danish West Indies", National Museum of Denmark. Keine bekannten Urheberrechtseinschränkungen

Historische Fotografien aus Dänisch-Westindien, um 1910
Flickr, Sammlung „Danish West Indies“, National Museum of Denmark.
Keine bekannten Urheberrechtseinschränkungen

 

Nach zunehmendem Druck erließ der dänische Generalgouverneur Peter von Scholten schließlich eigenmächtig die Emanzipation aller SklavInnen in Dänisch-Westindien, woraufhin er von seinem Posten abberufen wurde. Bis zum Verkauf an die USA 1917 blieben die Inseln noch in dänischem Besitz. Heute haben die U.S. Virgin Islands einen Status als nichtinkorporiertes US-amerikanisches Außengebiet. An die dänische Herrschaft erinnern neben Straßenschildern und Kolonialarchitektur die dänische Flagge, der Dannebrog, auf öffentlichen Gebäuden und Siegeln.

Zurück nach Europa und zu unserer Exkursion. Wir begeben uns auf die Spuren der kolonialen Vergangenheit an derjenigen Ecke des Dreiecks, wo der Gewinn aus dem transatlantischen Handel in Wohlstand der Kaufleute umgewandelt wurde. Wir machen uns auf den Weg durch die Altstädte von Flensburg und Kopenhagen: Welche Spuren sind sichtbar, welche nicht?

Scheck der US-amerikanischen Regierung über 25 Mio. Dollar für den Verkauf der Dänisch-Westindischen Inseln, Flickr, CC-BY-NC-SA Rigsarkivet - Danish National Archives

Scheck der US-amerikanischen Regierung über 25 Mio. Dollar für den Verkauf der Dänisch-Westindischen InselnFlickr, CC-BY-NC-SA Rigsarkivet – Danish National Archives 


Weiterführende Lektüre:

Benjamin, Thomas: The Atlantic World: Europeans, Africans, Indians and their shared history 1400–1900. Cambridge u.a.: Cambridge Univ. Press, 2009

Christiansen, Lene Bull (Hg.) (2005): På sporet af imperiet: danske tropefantasier (=KULT 2). Roskilde Universitets Center: Institut for Kultur og Identitet.

Conrad, Sebastian, Andreas Eckert & Ulrike Freitag (Hg.): Globalgeschichte: Theorien, Ansätze, Themen. Frankfurt am Main [u.a.]: Campus-Verlag, 2007

Gabaccia, Donna R. (Hg.): Connecting seas and connected ocean rims: Indian, Atlantic, and Pacific oceans and China seas migrations from the 1830s to the 1930s. Leiden u.a.: Brill, 2011

Harrison, Dick (2007): Slaveri: en världshistoria om ofrihet. Band 2: 1500–1800. Lund: Historiska Media. Darin ein Kapitel über den schwedischen Sklavenhandel.

Jensen, Lars: Danmark: Rigsfællesskab, tropekolonier og den postkoloniale arv. København: Gyldendal, 2012

Justesen, Ole: Danish sources for the history of Ghana 1657–1754, 2 Bände. Det Kongelige Danske Videnskabernes Selskab, 2005

Müller, Leos, Göran Rydén & Holger Weiss [Hg.]: Global historia från periferin. Norden 1600–1850. Lund, 2010

Naum, Magdalena & Jonas M. Nordin (Hg.): Scandinavian Colonialism and the Rise of Modernity. New York: Springer, 2013