- 10.09.2013
- Kategorie Geschichte / Archäologie
Vorbereitungen zu Finnlands 100. Geburtstag sind im Gange
Jubiläen werfen immer Schatten voraus – so auch im Fall der in vier Jahren anstehenden Feierlichkeiten zu Finnlands Selbstständigkeit. 2017 wird der Nationalstaat Finnland 100 Jahre alt und wird das gebührend feiern. In einer Pressemitteilung (hier der Link zur englischen Version) wurde gestern die Einsetzung eines entsprechenden Komitees bekannt gegeben, dem Ministerpräsident Jyrki Katainen und Finanzministerin Jutta Urpilainen vorstehen. Tatsächlich reichen die Vorbereitungen aber schon in das vorangegangene Jahr zurück, als eine kleine Expertenkommission unter Leitung des Historikers Martti Häikiö mögliche Schwerpunkte und Aktivitätsformen im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten sondierte. Im Bericht der Arbeitsgruppe finden sich eine Reihe von Projektvorschlägen aus Kultur und Wissenschaft, die so verschiedene Aspekte wie die Philatelie, das Jubiläum als Fest der Veteranen (welche die Souveränität Finnlands im Zweiten Weltkrieg verteidigten) oder den Weg zur Loslösung vom Zarenreich in internationaler und komparativer Perspektive betonen.
Es ist kein Geheimnis, dass Buchverlage in aller Welt größere und gerade runde Jubiläen und Geburtstage gerne zum Anlass für Veröffentlichungen nehmen. Sie trauen diesen durch die erhöhte Aufmerksamkeit dann wohl ein höheres Vermarktungspotenzial zu. Man kann sich darüber streiten, ob das immer sinnvoll ist. Im Fall der Vorbereitungen für die offiziellen Aktivitäten kommt natürlich ein anderes Element hinzu: Die 100. Wiederkehr der nationalen Eigenständigkeit zu begehen, ist im Rahmen des Nationalismus als ziviler Ersatzreligion selbstredend ein stark aufgeladenes Ritual. In einem Kleinstaat wie Finnland, der sich in den ersten Jahrzehnten nicht sicher sein konnte, ob die Eigenstaatlichkeit bestehen würde, und dem frühere Historikergenerationen eine Tradition jahrhundertelanger Unterdrückung durch die Schweden und Russen angedichtet haben, ist diese Souveränität ein hohes Gut und wird möglicherweise noch stärker überhöht als etwa in Frankreich oder erst recht in Deutschland.
Jedenfalls werden sich auch Historiker auf entsprechende Projekte stürzen bzw. haben dies zum Teil schon längst begonnen. In Finnland herrscht diesbezüglich immer noch eine hohe Wertschätzung der historischen Forschung, wobei es fraglich ist, ob diese noch nennenswert zu einer Stärkung der nationalen Geschichtsdeutungen beitragen wird. Sicherlich ist die ein oder andere Heldengeschichte in den Regalen der Buchhändler zu erwarten. Gerade die internationale und komparative Perspektive wird meiner Prognose nach aber eine ungleich höhere Rolle als bei früheren Jubiläen spielen. Welche Interessen die Großmächte, nicht zuletzt das Deutsche Kaiserreich, daran hatten, Finnland aus dem Zarenreich herauszulösen, dürfte noch deutlicher in den Mittelpunkt rücken.
Die Frage ist, ob nicht die Jubiläen in immer dichterem Takt gefeiert werden. Gerade erst hatte man in Finnland um das Jahr 2009 herum mit viel Trara an die Teilung des schwedischen Reichs von 1809 erinnert, die in den meisten Geschichtsdarstellungen nicht ganz zutreffend als „Abtretung Finnlands“ an Russland apostrophiert wird. ((Die ostschwedischen Provinzen, aus denen im Zarenreich das Großfürstentum Finnland wurde, waren zuvor integraler Bestandteil des Schwedischen Reiches gewesen und keine in toto so eroberte Kolonie.)) In diesem Zusammenhang war auch viel Kritik daran laut geworden, das Jahr 1809 als „Beginn des finnischen Staatswesen“ zu verstehen. An einer solchen historischen Verzerrung wollten daher so manche prominenten Vertreter der finnischen Geschichtswissenschaft auch keinen Anteil haben. Das dürfte bei dem wesentlich unstrittigeren Datum 6.12.1917 sicherlich weniger der Fall sein, schließlich spielt der Unabhängigkeitstag nicht nur in der öffentlichen Gedenkkultur eine entsprechende Rolle, sondern über das Datum als tatsächlichen Beginn der vollständigen Eigenstaatlichkeit herrscht Konsens. Mal sehen, was die Forschungsprojekte und die offiziellen Feierlichkeiten letztlich für ein Bild zeichnen werden.