- 16.02.2012
- Kategorie Geschichte / Archäologie
Web History in Dänemark
Als Historiker neigt man möglicherweise stärker dazu, nach historischen Inhalten im WWW (also der Spiegelung traditioneller Fachinhalte im WWW) zu suchen, als sich die Frage nach der Historizität des Webs selber zu stellen. Letzteres tut der dänische Medienwissenschaftler und Internethistoriker Niels Brügger von der Universität Aarhus mit seinem Projekt zur Entwicklung der Internetpräsenz des Dänischen Staatsrundfunks (Informationen auf Dänisch). Das Forschungsprojekt widmet sich den Triebkräften hinter der Schaffung der WWW-Seite für die Rundfunkanstalt, und nach welchen Richtlinien und Interessen die Seite weiterentwickelt wurde. Spannend nimmt sich die Platzierung des Projektes an einer Schnittstelle zwischen Kultur-, Medien- und Gesellschaftsgeschichte aus. Gleichzeitig, so schreibt Brügger, geht es auch um die Entwicklung eines methodisch-theoretischen Instrumentariums. Wie schreibt man „Internetgeschichte“?
Brügger, Leiter des Zentrums für Internetforschung an der Uni Aarhus und auch Initiator einer Seite zur dänischen Internetgeschichte, hat zu diesen Fragen 2010 einen Sammelband vorgelegt, wohl der erste, der sich dezidiert der neuen Forschungsrichtung Web History widmet. Der Band präsentiert sowohl erste konkrete Resultate, geht aber auch die, wie ich finde, grundlegend wichtigen methodischen Probleme an. Es stellt sich die Frage, aus welchem Methodenmix an medien- und geschichtswissenschaftlichen Herangehensweisen man sich der Web History nähern soll. Wie geht man mit dem Quellenbegriff um, angesichts des flüchtigen und sich ständig verändernden Charakters einer Internetseite? Was mache ich überhaupt mit verschwundenen Homepages? Sind der Google-Cache und das Internet Archive ausreichend, um „historische“ Websites aufzuspüren (wohl kaum)?
Natürlich ist es nichts Neues, dass das Internet eine eigene Geschichte hat, sie ist in Grundzügen mittlerweile ja gut dargestellt worden. Aber die historische Aufarbeitung von konkreten Web-Inhalten – über einen rein dokumentarischen Ansatz hinaus, verbunden mit einer weiter ausgreifenden kultur- und sozialwissenschaftlichen Analyse – ist, wenn ich recht sehe, ein gerade erst aufkommendes Phänomen. Also: Zeit, sich einer zunehmenden Historisierung des WWW zu stellen?