Historische Filme auf YouTube

von Jan Hecker-Stampehl
Wochenschau-Kameramann im Zweiten Weltkrieg

Die Deutsche Wochenschau entsteht PK-Filmberichter an Kamera Wikimedia Commons CC-BY-SA Bundesarchiv Bild 183-2008-0415-500

Wie im studentischen Blog Eisbrecher in einem der ersten Beiträge neulich vermerkt wurde, kann man Video-Portale in der Wissenschaft durchaus nutzen. Eine der naheliegendsten Möglichkeiten in geschichtswissenschaftlichen Zusammenhängen wäre, dort nach Filmen als historische Quellen zu suchen, die man z.B. in der Lehre verwenden kann, aber auch, um sich über bestimmte Aspekte ganz wörtlich verstanden ein „Bild“ zu machen. Bei YouTube finden sich jede Menge interessanter historischer Wochenschauen und politischer Propagandafilme. Wie sollte man mit den vielen, oft unautorisiert hochgeladenen Filmen umgehen? Selbst wenn urheberrechtlich alles in Ordnung sein mag, das Material – so wertvoll und auf anderen Wegen schwer zugänglich es ansonsten sein mag – bleibt konservatorisch und fachwissenschaftlich ohne Betreuung. Zu den üblichen und aus anderen Zusammenhängen bekannten Fragen – die Flüchtigkeit der Inhalte, die in vielen Fällen dürftige technische Aufbereitung und daraus resultierende niedrige Bildqualität usw. – gesellen sich auch methodische und didaktische Probleme. Die in ungeahntem Maße gestiegene Verfügbarkeit historischer Quellen im Netz – das mag zunächst positiv klingen. Doch allein, dass das Material online und da ist – reicht das aus?

Ein Beispiel ist der nachstehende Film, der von amerikanischen Finnlandfreunden zur Zeit des Winterkriegs 1939–40 entstanden ist. Er wirbt um Sympathie für die finnische Sache und ist darum bemüht, Finnland als Teil der selben politischen Kultur, derselben Referenzgruppe wie die USA erscheinen zu lassen.

An dieses Material wäre unter normalen Umständen sicherlich schwer heranzukommen, und zur Illustration eines historischen Themas ist er sicherlich geeignet. Probleme ergeben sich denn aber in quellenkritischer Hinsicht: Das Produktionsjahr im Vorspann ist wegen der schlechten Bildqualität nicht recht zu erkennen. ((Ich tippe auf ein – nicht ganz korrektes – MCMXXXX…wer es genauer erkennen kann, möge mich korrigieren.)) Wer waren zudem die „Friends Of Finland“ – offensichtlich eine Art amerikanische Freundschaftsgesellschaft für Finnland? Der WorldCat kennt den Film und einen Aufbewahrungsort, die Theodore R. McKeldin Library an der University of Maryland, sogar. Doch wie kommt der Film dann hierhin auf YouTube? Mit welchen Mitteln wurde er digitalisiert? Wer hat die finnischen (!) Untertitel zu dem englischen Originalton hinzugefügt?

Der vom Uploader in YouTube bereitzustellende Text könnte hervorragend zur Annotation solcher Beiträge genutzt werden – doch bleibt das in der Regel aus. Hier bestünde ja durchaus die Chance, den online angebotenen medialen Inhalt durch zusätzliche Informationen, Tags etc. semantisch stärker aufzubereiten, und so für Web-Recherchen sinnvoller nutzbar bzw. auffindbar zu machen. Ließen sich solche Inhalte überhaupt mit vertretbarem Aufwand referenzieren oder katalogisieren? Sollten Filmarchive, wo die für die Aufbereitung solchen Materials erforderliche medien- wie geschichtswissenschaftliche Kompetenz vorhanden ist, in viel höherem Maße daran arbeiten, ihre Bestände zumindest als Vorschauen online verfügbar zu machen?

Auch die annähernd 1.400 (!) Kommentare zu diesem Beispiel-Film sind von einer teilweise eher vulgären Diskussion über Redlichkeit und Erreichen der finnischen oder sowjetischen Kriegsziele im Zweiten Weltkrieg sowie anderen kontroversen Fragen der finnischen oder allgemeinen Geschichte geprägt. Wer sich einer Analyse dieser Kommentare widmen wollte (die man durchaus als ein Element der Online-(Geschichts-)Kultur sehen kann), müsste allerdings wohl eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen…

Man findet auf YouTube eine erstaunlich hohe Zahl von Filmschnipseln unterschiedlichster Qualität, die sich historischen Themen widmen. Der Zweite Weltkrieg und verwandte Themen scheinen dabei eine ähnlich hohe Popularität aufzuweisen wie in der sonstigen journalistischen Bearbeitung und medialen Aufmerksamkeit ohnehin schon. Ich habe ob der gut 6.700 Ergebnisse für das Suchwort „Wochenschau“ darauf verzichtet, es zu überprüfen, aber die auf YouTube hochgeladenenen Wochenschauen werden einen großen Teil der Kriegszeit abdecken. Allerdings überkommt einen bei dem ein oder anderen Nickname („schlesienTV“ oder „wolf4045“) und angesichts der Diskussion zu diesen Videos großes politisches Unbehagen…auch das ist eine Seite von Geschichtskulturen im Netz.

Schlagwörter: