- 30.11.2021
- Kategorie Sonstiges
Abschaffung der Dänisch-Lektorate in Deutschland?
von Ralph Tuchtenhagen
Ein aufschreckendes und deprimierendes Signal der derzeitigen dänischen Regierung macht gerade die Runde – die mögliche Abschaffung der Dänisch-Lektorate im Ausland. Diese Absicht ist an unscheinbarer Stelle in einem Regierungspapier in Form eines kurzen Satzes formuliert, der sich liest, als handle es sich dabei um eine bereits beschlossene Sache. Freilich ist der Passus aufmerksamen Beobachtern nicht entgangen und hat zu heftigen Reaktionen geführt – natürlich unter den Dänisch-Lektoren selbst, aber auch in Kreisen der Skandinavistik, bei Übersetzer_innen und vielen anderen, die am Lehren und Erlernen der dänischen Sprache außerhalb Dänemarks interessiert sind.
Es bedarf wohl kaum einer Erklärung, dass und warum dieses Vorhaben der dänischen Regierung in eine Katastrophe für die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Dänemark und Deutschland münden wird. Die Beherrschung der Sprachen der Nachbarn gehört zu den fundamentalen Voraussetzungen für das Verständnis und den Abbau von Spannungen zwischen Staaten und für den Aufbau gedeihlicher kultureller, wirtschaftlicher, politischer und persönlicher Kooperationen. Zu diesen Zielen haben die Dänisch-Lektorate in den letzten Jahrzehnten Wesentliches beigetragen, und sie tun dies noch heute. Sollten die Lektorate nun verschwinden, verlieren dadurch nicht nur Lehrkräfte ihre Arbeitsplätze; das Verständnis und die Begeisterung für das Dänische, ja für Dänemark selbst, wird rasch schwinden; Dänischsprechende in Deutschland und darüber hinaus wird es außer in den Reihen der dänischen Minderheit von Schleswig-Holstein bald kaum mehr geben; Lehrkräfte für die dänische Sprache können nicht mehr herangebildet werden; die großen Werke der dänischen Schriftsteller_innen, Philosoph_innen und Wissenschaftler_innen bleiben einer außerdänischen Öffentlichkeit verschlossen; Übersetzungen (auch Übersetzer_innen bedürfen erst einmal des Dänischunterrichts) können zwar Wörter und im besten Fall Stimmungen transportieren, aber nicht den Geist und den emotionalen Gehalt des Originals. Wäre es nicht eine Schande, wenn man eine der großen europäischen Kulturen und Zivilisationen nur noch in deutscher oder englischer Übersetzung wahrnehmen könnte und wenn die institutionellen Strukturen und Persönlichkeiten, die das Dänische in der Welt bekannt gemacht haben, plötzlich verschwänden? Porzellan ist schnell zerschlagen. Es neu zu modellieren und wieder in ein Objekt der Bewunderung zu verwandeln dauert, ist teuer und braucht viel Geschick.