- 08.09.2022 - 10.09.2022
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Das Ende des Großen Nordischen Kriegs 1721 – eine Wende im Ostseeraum, aber wohin?
Wenn man den Ostseeraum als Geschichtsregion betrachtet, stellt das Ende des Großen Nordischen Kriegs 1721 eine Epochenwende dar, deren politische, gesellschaftliche, kulturelle und ökonomische Umwälzungen die folgenden Jahrhunderte geprägt haben. Von zentraler Bedeutung ist der Frieden von Nystad (finnisch: Uusikaupunki) zwischen Schweden und Russland vom 12. September 1721, der den Ausgangspunkt der Konferenz bildet.
Dass sich die Folgen von Kriegsende und Friedenschluss für die betroffenen Staaten, Regionen und ihre Bewohner:innen signifikant unterscheiden und damit verbunden auch die jeweiligen (nationalen) Erinnerungen sehr heterogen sind, unterstreicht die Bedeutung des Umbruchs von 1721 auch in einer längerfristigen Perspektive: In Schweden begann mit den Gebietsabtretungen an das Zarenreich der mächtepolitische Abstieg, dem nach anfänglichen Revancheplänen dann der Rückzug aus der europäischen Mächtepolitik folgte. In Russland wurde der Frieden von Nystad dagegen als triumphaler Aufstieg zur Großmacht und Beginn einer neuen (europäischen) Epoche gefeiert. Für die deutschen Adligen in Estland und Livland bot sich mit dem Übergang an das Zarenreich die Gelegenheit zur Fixierung ihrer rechtlichen und sozialen Privilegien, während für die Esten und Letten aus der neuen Situation dagegen eine Verschärfung der Leibeigenschaft resultierte. In Finnland führte der Friedensschluss mit der Abtretung von Wiborg und Kexholm zu den ersten Anfängen von Autonomie unter russländischer Herrschaft. Für Polen-Litauen bedeutete der Ausgang des Nordischen Kriegs zunächst das Scheitern der Versuche zur Revindikation Livlands. Zudem verdeutlichte die Tatsache, dass der polnische König in den Friedensschluss mit Schweden nicht einbezogen wurde, auch den Beginn der Souveränitätskrise, aus der sich dann eine Außensteuerung der Adelsrepublik durch Österreich, Preußen und Russland entwickelte und die schließlich in die Teilungen Polen-Litauens Ende des 18. Jahrhunderts mündete. Damit fällt der Blick dann auf Preußen, das sich durch den Friedenschluss von Stockholm 1720 Stettin angliedern konnte.
Ziel der Tagung ist es, die langfristigen Folgen des Friedens von Nystad für Nordost- und Ostmitteleuropa zum einen aus unterschiedlichen thematischen Blickwinkeln (Politikgeschichte, Kulturgeschichte, Kunstgeschichte, Wirtschaftsgeschichte, Sozialgeschichte) und zum anderen aus den nationalen Perspektiven kollektiver Erinnerung zu beleuchten und dabei zu fragen, welche Rolle diese Folgen und Wahrnehmungen bis in die Gegenwart spielen: Dazu zählen etwa die Prägung der Region durch den Aufstieg Russlands, Traditionen der nordischen Neutralität nach dem Ende der schwedischen Großmachtszeit, die Formierung der „Deutschbalten“ und der Aufstieg der kleinen Nationen.
Die Internationalen Symposien zur Geschichte und Kultur Nordosteuropas finden seit 1995 in unregelmäßiger Folge in Tallinn statt. Die Themen befassen sich insbesondere mit den Beziehungen der baltischen Region im engeren Sinne mit dem deutschsprachigen Raum sowie mit Nordeuropa und Nordwestrussland.